2012
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DER VIERTE RAUM
Apartment Gallery
Januar - Juni 2012
website: dervierteraum.tumblr.com/
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“Der vierte Raum” ist der Titel eines Projekts im Privatraum, das von Januar bis Juni 2012 in Bremen stattfand. Innerhalb einer von drei Personen bewohnten Privatwohnung wurde für die Zeit des Projekts ein Zimmer zu einem Ausstellungs-und Veranstaltungsraum deklariert. Dieses unterschied sich in seiner Beschaffenheit nicht von den anderen Wohnräumen. Es war kein öffentlicher Raum, sondern wurde für die Zeit des Projekts zu einem solchen erklärt. Die daraus entstanden Ergebnisse hinsichtlich seiner Erscheinung und seines neuen Kontextes waren offen und sollten jedes Mal neu untersucht werden. Gleichzeitig blieb der Raum immer in seiner Umgebung, dem Privatraum, eingebunden – so ergaben sich spannungsvolle Zwischenstadien von Privatem und Öffentlichem.

Die Grenzen zwischen privatem und öffentlichem Raum werden im Kunstkontext regelmäßig ausgelotet. Seien es künstlerische Positionen, die das Private zum Anlass nehmen und untersuchen oder ganze Ausstellungsformate, die den institutionellen Rahmen verlassen und stattdessen halb-öffentliche oder private Sphären als Präsentationsräume nutzen. Für die kuratorische Praxis stellt der Privatraum eine besondere Herausforderung dar, unterscheiden sich die Ausstellungsräume doch in ihrer Beschaffenheit und Konnotation deutlich vom “neutralen” Konzept des White Cube und geläufigen, institutionellen Ausstellungsräumen, genauso wie sie mit einem spezifischeren Publikum interagieren und daher eine neue Art von Öffentlichkeit erzeugen.

Die Idee, den privaten Wohnraum im Gegensatz zur öffentlichen Institution als einen Ort kultureller Produktion und Reflexion zu nutzen, ist auf verschiedene Weise artikuliert und untersucht worden. Als eine historische Referenz kann der Salon dienen, dessen Kultur der interdisziplinären Zusammenkünfte der Künste über Jahrhunderte gepflegt wurde. Hier wurden neue Ansätze der bildenden Kunst, Musik und Literatur präsentiert und zur Diskussion gestellt. Ein direkter Austausch der Akteure wurde gefördert, das Zeitgenössische in der unmittelbaren Auseinandersetzung geprüft.

Auch in Bremen wurde das Ausstellen im Privatraum bereits untersucht: 1992-93 konzipierten die Kuratoren der documenta 12, Roger M. Buergel und Ruth Noack, hier die Ausstellungsreihe „Loci“. Dabei fand in Privatwohnungen in Bremen, Berlin und Hamburg eine Ausstellung statt, die jeweils von einem wissenschaftlichen Vortrag begleitet wurde. Der Privatraum öffnete sich für die Dauer der Präsentation einer neuen Öffentlichkeit und schuf außerhalb seines auf das Wohnen bedachten Sinns eine neue Sphäre der kulturellen Reflexion.

Als ein weiteres Beispiel der Erprobung von Privaträumen als Ausstellungsfläche wäre das Projekt “Raumkante” (2010) der Bremer Künstlerinnen Kornelia Hoffmann, Patricia Lambertus und Marion Lehmann zu nennen. Obwohl die Künstlerinnen ehemalige, also nicht mehr aktiv genutzte Privatwohnungen wählten, hatte die Ausstellung dennoch einen deutlich anderen Charakter, als sei sie in einer dezidiert als Kunstort ausgewiesenen Räumlichkeit gezeigt worden.

Die Universität Bremen widmet den Aspekt von Privatheit im Kunstkontext ein ganzes Forschungsprojekt mit Titel “wohnen +/- ausstellen”, unter der Leitung von Professorin Irene Nierhaus.

Das Projekt „Der vierte Raum“ nahm all diese Ansätze zum Anlass und erprobte sie über einen Zeitraum von sechs Monaten von Januar bis Juni 2012.
Dabei stand der interdisziplinäre und partizipatorische Ansatz im Vordergrund: Produzenten aus dem Bereich bildende Kunst, Musik und Literatur ebenso wie Wissenschaftler aus diesen Bereichen wurden von den Initiatoren eingeladen, den Raum in einem festgesetzten Zeitraum zu okkupieren, das Private immer wieder zu öffnen und Öffentlichkeit neu zu gestalten.

Dabei wurde auch der zunehmend wichtigen sozialen Interaktion im Kulturkontext Rechnung getragen: Netzwerke, die sich bei Ausstellungseröffnungen, Konzerten und kulturellen Veranstaltungen zusammen finden und aktiviert werden, spielen in der Produktion und Rezeption von Kultur eine immer größere Rolle. Längst übernehmen sie einen essenziellen Part in der Entstehung und Verbreitung von neuen Ideen und Konzepten. Für eine der wichtigsten internationalen Ausstellungen, die Venedig Biennale, haben Mona Schieren und Andrea Sick von der HfK Bremen diese Strategien und Mechanismen untersucht. Die gleichen Netzwerke bilden sich in Bremen um die Institutionen für zeitgenössische Kunst, wie die Städtische Galerie, die GAK oder das Künstlerhaus, und um Produktionsorte wie die Hochschule für Künste oder den Güterbahnhof. „Der vierte Raum“ sollte innerhalb des festgesetzten Projektzeitraums als eine Schnittstelle für die verschiedenen Akteure dieser Bereiche dienen. Er wurde angelegt als ein Kommunikationsort, an dem interdisziplinäre Tendenzen innerhalb des Settings einer Privatwohnung dem kulturellen Austausch dienten.


Initiatoren: Yvonne Bialek, Sebastian Reuschel, Adel Akram Alameddine
Ort: Außer der Schleifmühle 72 / 28203 Bremen